Ich dachte mir immer: auf dem Lande ist nichts los, da gibt's keine Technik, da sind nur Kühe, Pferde und Hunde, und die verstehen nichts von Technik. Diesmal fuhr ich in den großen Ferien wieder zu Onkel Theo und Tante Marta. „In den Kuhstall gehe ich diesmal gar nicht", sagte ich sofort. Ich hatte voriges Mal eine schlechte Erfahrung mit den Kuhzungen gemacht. „Doch, doch", lachte Onkel Theo, „wir haben einen neuen Stall. Das musst du dir unbedingt ansehen, du Stadtjunge." Ich dachte mir, was kann das schon sein.
Und Tante Marta sagte: „Wir haben hier sogar Mähdrescher, die das Korn allein fressen, es gleich ausmahlen, und oben fällt schon das fertige Brot heraus." Ich geriet in Staunen. Aber ich wollte das nicht zugeben und sagte: „Ja, das weiß ich schon, das ist die neueste Wissenschaft." Und ich machte ein Gesicht, als ob ich das schon immer gewusst hätte. Erst dachte ich, ein Ochse hat gebrüllt. Aber es war Onkel Theo, der lachte so laut. Dann zwinkerte er mir zu: „Bis zu den Broten kommt es natürlich noch nicht, aber beinahe..." Ich war wirklich beleidigt.
Hier auf dem Dorf haben sie auch tolle Dinge, und ich wusste schon im voraus, dass ich ganz schönen Ärger bekomme. Eines Tages kam Willi zu mir, der Sohn vom Agronom. Der wollte mir eine gute Nachricht bringen. „Morgen gehen wir zu Mechanisatoren. Sie zeigen uns die Raupe und den Maulwurf." Diesmal konnten sie mir nichts Neues sagen. „Pff", machte ich, „Raupen und Maulwürfe sind für mich nichts Neues, das haben wir schon in der Schule gehabt. Ein Maulwurf steht bei uns im Schaukasten." Willi riss vor Verwunderung die Augen auf. „Tja", sagte ich stolz, „ihr müsst nicht denken, dass nur ihr was könnt." Am nächsten Tag gingen wir zu Mechanisatoren. Auf dem Hof standen viele Traktoren und viele Maschinen, von denen ich mir gar nicht vorstellen konnte, wozu sie da sind. Der Traktorist erklärte uns alles. Welche Maschinen die Kartoffeln von allein ernten, welche den Mais und welche die Rüben. Da war auch ein Mähdrescher. Was kann jetzt schon kommen? dachte ich. Ein paar bunte Raupen und ein ausgestopfter Maulwurf. Da werde ich erzählen, weshalb der Maulwurf blind ist und so gewaltige Schaufelpfoten hat. „Also das hier ist die Raupe", erklärte der Traktorist. Ich sah und sah und fand auf dem Boden keine Raupe. „Wo ist die Raupe?" fragte ich Willi leise. „Na da", erwiderte er, ärgerlich über die Störung, „du hast doch gesagt, du kennst die Raupe." Da nickte ich nur vorsichtig. Wir standen vor einem mächtigen Traktor, der auf breiten Ketten lief. „Mit diesen Raupen befahren wir den sumpfigsten Boden", erklärte der Traktorist. Donnerschock, das war eine mächtige Raupe. „Und das ist der Maulwurf, der berühmte Geräteträger." Aber da stand kein Maulwurf, sondern ein Traktor. Ich sagte nichts.
Der Traktorist wandte sich zu mir. „Ich habe gehört, du kennst den Maulwurf schon. Hast du vielleicht sogar schon mal darauf gesessen?" Ich nickte. Ich wollte nicht sagen, dass ich die neue Technik, den Maulwurf und die Raupe, nicht kannte. „Na, dann mal rauf, sagte der junge Traktorist und lachte. Ich biss die Zähne zusammen und stieg auf den Traktor. „Eine Runde wollen wir beide jetzt machen... Hier tritt mal herauf... so, den Hebel hoch... Lenkrad festhalten!" „Ich habe... habe doch noch n..." Der Motor sprang an, und der eiserne Maulwurf setzt sich langsam in Bewegung. Neben mir stand der Traktoist und hielt das Lenkrad mit fest. „Den Fuss langsam loslassen", sagte er laut. Ich war ganz aufgeregt und riss den Fuss mit einmal los. Da sprang der Maulwurf wie ein Tiger, wenn er auf einen Hasen springt. „Verflucht!" hörte ich noch, dan fiel der Traktorist vom Maulwurf. Ich saß aber oben, un der Maulwurf fuhr mit mir los. Er machte einen großen Bogen, und ich sah, wie die Kinder nach allen Seiten davon rannten. Ich sah Willis große Augen und seinen offenen Mund. Und ich hörte auch den Traktoristen rufen „Bremsen!" Aber wie soll ich bremsen, wenn ich nicht weiß, wo die Bremse ist.
Der Maulwurftraktor fuhr die Dorfstraße entlang, de Feldweg hinauf zum Stall. Am Stall rannten die Kühe zusammen und schauten mich stumm an. Mit einem Auge sah ich noch, wie Onkel Theo die Forke aus der Hand fiel. Ich hielt mich am Lenker fest und sagte dem Traktor: „Hör doch auf zu fahren, halt doch an, bremse doch von selbst, hör doch auf, Maulwurf!"
Wo der Maulwurf mit mir entlangfuhr, gackerten die Hühner, die an den Zäunen saßen. Ein Hund lief eine Weile neben mir und versuchte in die Räder zu beißen. Das ganze Dorf kam in Aufregung. Tante Marta sah aus dem Fenster, als ich ganz dicht am Haus vorbeifuhr, und ich hörte, wie ihr der Teller aus der Hand fiel und auf dem Fussboden zerbrach. Nun fuhr ich schon aus dem Dorf heraus, und der feldweg ging zu Ende. Ich versuchte ein paar Hebel zu ziehen oder ein paar Pedale zu treten. Der Maulwurf wurde aber noch schneller. In der Ferne stand ein großer Wald. Ich versuchte auch zu lenken, aber es half auch nicht. Ich merkte, wie mir die Tränen hoch kamen.
Plötzlich tauchte neben mir, so dass ich doppelt erschrack der rote Kopf des Traktoristen auf. Er fuhr auf einem alten Fahrrad. Der Schweiß tropfte ihm von der Stirn. Als er ganz dicht heran war, sprang er ab, rannte hinter uns her, und mit einem Satz war er bei mir oben. Blub, blub, der Traktor stand, und der Traktorist blickte mich wütend an. „Bin ich schlecht gefahen?“, fragte ich vorsichtig. „Ich denke, du kennst den Maulwurf, du hast es doch erzählt!“. !Na, ich meine doch den richtigen.“ „Ist das vielleicht ein falscher?“ „Nein, ich habe doch den richtigen Maulwurf gemeint, einen, der blind ist und große Grabenpfoten hat.“ „Ach, du lieber Himmel!“, sagte der Traktorist und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Als wir durchs Dorf zurückfuhren, musste ich sehr leiden. Ich will nicht schreiben, was alle zu mir gesagt haben. Und Willi als erster. Und die anderen Dorfkinder. Dabei sagten sie auch:“ Er hat eben keine Ahnung von der Technik. Er kann nicht einmal einen Traktor von einem Maulwurf unterscheiden. Und wo die Bremse ist, weiß man ja schon in der zweiten Klasse.“
Von zu Hause hatte ich einen bösen Brief von Peter erhalten. Dem hatte ich geschrieben, dass ich mit dem Maulwurf gefahren bin. Das andere hatte ich ihm nicht geschrieben. Jetzt hat er in seinem Brief geantwortet: „Dass du Witze machst, Alfons Zitterbacke, ist bekannt. Aber dass man auf einem Maulwurf fahren kann, erzähle mal in der nächsten Biologiestunde, damit wir alle was zu lachen haben. Du Angeber! Maulwürfe sind viel zu klein zum Fahren und haben außerdem Beine und keine Räder.“
Nun bin ich überall schlecht angesehen. Ich sage lieber nichts mehr. Es ist eben zu viel Wissenschaft auf dem Lande. Aber im stillen habe ich mir überlegt, ob ich nicht spöter einmal aufs Land ziehe und Vorsitzender von alen Ställen oder Traktorist der Raupen und Maulwürfe werde.
Дата: 2019-03-05, просмотров: 230.