Einmal kam Großtante Paulette zu uns. Tanten sind immer gut. Tanten habe ich gern, auch Tante Paulette, obwohl es schon Ärger mit ihr gegeben hat. Aber daran war ich nie schuld. Also lasst euch die Geschichte erzählen. Tante Paulette wollte zu Ostern kommen. Es gibt immer Streit zwischen Papa und Tante Paulette. Mama sagte zu Papa: „Nun nimm dich mal zusammen, Paul, damit nicht jedesmal der Streit ausbricht." Papa runzelte die Stirn. „Das ist aber nicht meine Familie, sondern deine, Tante Paulette ist deine Tante, und wenn sie so dumm ist, kann ich nicht still sein", antwortete er. Also, Tante Paulette kam, und zuerst war alles in Ordnung.
„Na, wie geht es euch? Immer noch schlecht, wie?" fragte Tante Paulette lächelnd. Papa blieb ganz ruhig. „Hier habe ich etwas für den lieben kleinen Alfi, das hat er bestimmt nicht", sagte sie weiter und holte ein Paket heraus, „das ist echter amerikanischer Kaugummi." Papa sagte: „Das hat mir noch gerade gefehlt. Alfons wird sich den Kiefer kaputt machen." Ich versteckte mein Paket in der Hosentasche. Ich wollte auf jeden Fall probieren. Ich ging in die Toilette und sah mir die Schachtel mit Kaugummi an, „Bubble-Gum" — ein toller Name. Dann zog ich mir ein Plätzchen heraus. Es schmeckte süß. Es dauerte aber nicht lange. Na, das war ja recht wenig. Beim vierten Plätzchen war ich schon völlig enttäuscht und wollte die ganze Schachtel wegwerfen. Ich war kaum im Zimmer und hörte schon, wie Papa und Tante Paulette sich über die Wohnungsmiete stritten. Ich sagte: „Papa hat recht, auch der Kaugummi ist nichts Besonderes. Der schmeckt nach gar nichts. Man soll ihn am besten gleich schlucken." „Aber Alfi," sagte Tante Paulette, „hast du doch die Kaugummis geschluckt?" Was ist das für eine dumme Frage, dachte ich mir. Was zum Essen ist, muss man doch schlucken. Jeden Bonbon und jedes Stück Schokolade schluckt man doch. „Das solltest du doch nur kauen", rief sie. „Wieso kauen?" sagte ich. Das fand ich nun ganz blöd. „Kauen ist doch zum Essen da; was man kaut, muss in den Magen." „Nein doch", rief Tante Paulette aufgeregt, „Kaugummi ist nur zum Kauen da. Wieviel Plätzchen hast du denn gegessen?" „Na, so... vier, fünf Stück." „Um Himmels willen", schrie Tante Paulette und rannte zu Mama in die Küche. „Alfi hat den Kaugummi verschluckt, da kann er sich den ganzen Darm verstopfen... vielleicht holen wir einen Arzt."
Das war ja schön. Da lag ich nun in warmen Tüchern, trank bitteren Tee, und in meinem Magen brummelte und grummelte es. Papa war fortgegangen, er hatte sich so sehr geärgert. Mama machte mir heiße Umschläge um den Bauch, und Tante Paulette erzählte mir Märchen von Schneewittchen und Hansel und Gretel. Es war mir schlecht, besonders von dem Märchenerzählen. „Sag mir doch mal, wie man den Kaugummi kaut", bat ich Tante Paulette, damit sie mit dem Märchenerzählen aufhörte. „Also, das ist so", sagte sie und nahm einen Kaugummi und fing an zu kauen. „Immer so kauen, von recht nach links und von links nach rechts." „Sieht ja blöd aus", sagte ich, „wie eine Kuh". Es war gar nicht böse gemeint, aber Mama fand das nicht und machte einen großen Spektakel. Ich musste mich siebenmal bei Tante Paulette entschuldigen.
Plötzlich hörte Tant Paulette auf zu kauen... „Mmmmhmmmmmurh..." machte sie. Ich dachte, das gehört mit zum Kaugummi kauen; nach zehn Minuten muss man vielleicht so machen? Und ich fragte: „Muss man das immer laut machen?' Aber Tante Paulette machte noch einmal „mmmhmm murh..." und zeigte verzweifelt auf ihren Mund. Ach so! Tante Paulette hatte ihren Kaugummi irgendwie falsch gekaut. Sie könnte ihren Mund nicht aufmachen. Manu brachte einen großen Topf heißes Wasser, und mit Mühe und Not rieß Tante Paulette ihre Zähne auseinander. Ich lachte darüber den ganzen Abend.
Tante Paulette sagte den ganzen Abend nichts mehr, und so war alles ruhig in unserer Familie. Tante Paulette schwieg vom Kauen, ich war mit meinem Bauch beschäftigt, Papa dachte, dass er Tante Paulette endlich zur Ruhe gebrachte hatte, und Mama war einfach zufrieden. Aber am nächsten Morgen begann Tante Paulette vom Kaugummi zu sprechen. „Weißt du, Alfi, gestern habe ich mit dem Kaugummi Pech gehabt. Aber du kannst dir nicht vorstellen, wie fein es aussieht, und wenn man mit dem Kauen fertig ist und essen oder rauchen will, dann nimmt man den Kaugummi heraus und klebt ihn irgendwo an." Das war ja ganz toll! Ich fing heimlich an zu kauen, nahm dann den Kaugummi heraus und klebte ihn unter meinen Tisch. Tatsächlich, der fiel nicht runter.Dann klebte ich noch einen unter den Tellerrand und einen hinters Ohr, die blieben auch hängen. Ich kaute schnell die anderen achtundvierzig Kaugummis, die noch im Päckchen waren, und klebte sie auf den Stuhl.
Jetzt begann aber das Unglück. Mama hatte das Essen fertig und rief: „Kinder, kommt jetzt zum Braten. Alfons, bring deinen Stuhl mit, wir reichen sonst nicht." Da ich weiß, wie sehr Mama darauf achtet, dass bei Tisch alles in Ordnung ist und meine Hände sauber sind, rannte ich in aller Eile mir die Hände waschen und kämmte mich schnell. Inzwischen hatten sich Tante Paulette und Papa schon gesetzt. Nach dem Essen wollten wir einen Spaziergang machen. Alle standen auf, nur Tante Paulette blieb sitzen. „Du kommst doch sicherlich mit", sagte Mama. Tante Paulette machte merkwürdige Augen. „Ich... ich ...ja,.... Ich... kann nicht." „Ist dir nicht gut?" fragte Mama. „Oder tut dir vielleicht der Mund noch weh?" Tante Paulette schüttelte kläglich den Kopf. „Ich kann nicht aufstehen", sagte sie.
Wir sahen, wie Tante Paulette sich mühte hochzukommen. Aber es gelang ihr nicht. Wie festgenagelt saß sie auf dem Stuhl. Mama und Papa sahen sich erstaunt an. Tante Paulette begann leise zu weinen. Oje! Mir fielen meine achtundvierzig Kaugummis ein. Jetzt wusste ich, warum Tante Paulette am Stuhl klebte. „Auf Wiedersehen", sagte ich, „ich gehe schon vor", und rannte los. Das ist ein ganz ärgerliches Ostern. Mama spricht nicht mehr mit mir. Auch Papa nicht. Sie glauben, dass ich es speziell gemacht habe. Alle drei haben sie mit mir geschimpft. Und dieses blöde Zeug . .., , den Kaugummi kaue ich überhaupt nicht mehr.
Дата: 2019-03-05, просмотров: 292.